Unser Reisefreund Dieter Freitag hat uns folgenden Bericht zugesandt.
Gleichzeitig hat er einige Impressionen aus seinem Urlaubstagebuch zur Verfügung gestellt.
Wir danken Herrn Freitag für seine Bemühungen.
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Liebeserklärung an Ahrenshoop
Seit 1992 verbringen wir einmal im Jahr zwei Wochen in Ahrenshoop, und zwar immer mit deutlichem Abstand zu den Sommerferien. Wenn ich gefragt werde, wo wir unseren Urlaub verbracht haben, antworte ich wahrheitsgemäß: „In Ahrenshoop.” Der fragende Blick meines Gegenübers signalisiert mir bereits Unkenntnis. Die Frage folgt auch sofort: „Wo ist das denn, kenn ich nicht.” Wenn ich antworte: „Auf Fischland/Darß”, weiß ich schon aus Erfahrung, was folgt: „Kenne ich auch nicht.” Ich kläre seit Jahren Inländer nicht mehr auf, daß es sich um eine Halbinsel an der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern handelt, die auf der einen Seite von der Ostsee und auf der anderen Seite vom Bodden umgeben ist, sonst würde die Fragerei weiter gehen. „Was ist denn ein Bodden?” Also antworte ich gleich: „Das liegt zwischen Rostock und Stralsund.”
Das sagt den meisten Altbundesbürgern schon etwas. Daß man auf dem Bodden mit alten, gepflegten Zeesbooten, ehemaligen hölzernen Fischereiseglern, fahren kann, erfahren von mir nur besonders Interessierte; und daß das Fanggeschirr „Zeese” heißt.
Die Unkenntnis von Erstbesuchern und vor allem von Tagestouristen überrascht mich immer wieder. So wurde ich dieses Jahr von zwei erwachsenen Bremerinnen gefragt, wo denn Ahrenshoop sei, in Niehagen und Althagen seien sie schon gewesen. Sie fragten weiter, wo das Zentrum des Ortes sei. Als ich ihnen sagte, das würde wohl bei der „Bunten Stube”(eine Institution seit fast einem Jahrhundert und kultureller Mittelpunkt) sein, bekundeten sie, daß sie dort schon gewesen seien.
Immerhin. Bei der Frage nach den Malerhäusern habe ich dann resigniert und Zeitmangel vorgeschoben.
Eigentlich wollte ich für das kleine, anheimelnde Ahrenshoop keine Werbung mehr machen, denn der Tourismus hat in den Jahren nach der Wende ständig zugenommen. Inzwischen sind auch die Westdeutschen zahlreich, nicht nur die Hamburger, Kieler und Lübecker, also die, die es besonders nah hatten. Die Gäste kommen inzwischen auch von weit her, nämlich zum Beispiel aus Essen, Mainz und München. Aber auch Ausländer aus Österreich, Schweiz,Frankreich und den Niederlanden kann man an deren Autokennzeichen erkennen. Wenn ich keine Werbung für Ahrenshoop mehr machen wollte, so war mein zeitweiser Egoismus dafür ursächlich. Die Zunahme des Tourismus, die vielen Tagestouristen, Autos und Radfahrer, die sich durch die Dorfstraße quälen, empfinden wir manchmal schon als lästig. Wir sehnen uns aber durchaus nicht an die Zeit vor zehn oder gar rund zwanzig Jahren zurück. Im Wesentlichen hat sich das Dorf zum Guten entwickelt. Es gibt inzwischen zahlreiche Hotels, Restaurants, Ferienwohnungen und Ferienhäuser sowohl unter einem Reetdach ( Rohrdach sagt man hier) als auch unter einem Kaltdach. Die alte Kaufhalle wurde schon vor Jahren durch ein schönes Reethaus ersetzt und in dem Edeka-Frische-Markt findet man ein reichhaltiges Warenangebot. Auch der neu gestaltete und asphaltierte Parkplatz am südlichen Ortseingang war eine wesentliche Verbesserung. Die Befestigung einiger Sand- und Schotterwege war wohl notwendig. Ich bin überzeugt, daß die Gemeindevertreter nicht sämtliche Sandwege zu betonieren. Nicht nur die Schwalben und Spatzen brauchen den Sand und die Pfützen zum Nestbau und zum Baden. Es gibt sie ja Gott sei Dank noch, die Sandwege. Wir benutzen sie ganz bewusst, weil wir sie ganz einfach schön finden, und zwar auch nach dem Regen mit Pfützen. Unser Lieblingsweg ist nach wie vor der Weg zum Hohen Ufer, wo wir jahrelang unser Feriendomizil hatten. Seine Allee mit den riesigen Pappeln erfreut uns jedes Jahr besonders, wenn die Morgensonne das Laub durchdringt. Daß die Pappeln gefällt werden sollen, ist erfreulicherweise bisher ein Gerücht geblieben. Für die abendlichen Spaziergänge benutzen wir bevorzugt die restlichen Sandwege: natürlich den Steiluferweg zwischen dem Hohen Ufer und dem Grenzweg, um einen Sonnenuntergang bei ruhigem Meer zu beobachten. Bei Wind und Sturm bevorzugen wir die geschützten Wege am Hohen Ufer, den Bernhard-Seitzweg und die kleinen Verbindungswege zum Weg am Strom: den Niemannsweg und den Georg-Hülsse-Weg. Hier ist auch die Bebauung noch besonders ursprünglich. Und hier sind die Touristen weniger zahlreich. Es gibt sie ja noch durchaus, die ruhigen Plätze, wo man sich verkriechen kann. Und am Strand oder am Steilufer läuft man sich im Unterschied zu Sylter Stränden nicht um, um es einmal leger auszudrücken. Apropos Steilufer: dort kann man mit gutem Auge und Glück Hühnergötter oder Lochsteine, Donnerkeile, Seeigel und andere Versteinerungen finden. Das ist seit Jahren mein liebster Zeitvertreib, vor allem morgens in der Frühe, wenn der Tag beginnt. Ich muß bei Ende des Urlaubs immer darauf achten, daß ich unser Auto nicht überlade. In unserem Garten und am Haus sind ohnehin schon reichlich Hühnergötter und auch zahlreiches Strandgut dekoriert.
Man kann sich in Ahrenshoop auch der Kunst widmen. Es gibt inzwischen viele Galerien und Museen. Die Gemeinde wirbt ja in erster Linie mit ihrer Vergangenheit als ehemalige Künstlerkolonie. Das ist im Dorf wohl nicht unumstritten. In Wustrow sagte der Skipper eines Zeesbootes zu mir etwas sarkastisch:”die haben´s ja nur mit der Kunst.” Auffällig vor allem in diesem Jahr - 2009 - war die Zunahme von Malgruppen. Überall waren sie anzutreffen: am Hohen Ufer, am Grenzweg, am Althäger Hafen , an der Schifferkirche und an anderen Plätzen - die von Eicken- und Müllerkaempff-Nachfolger - . Es sind zusätzliche schöne Farbflecken im Ort.
Leider beginnen die besonders beworbenen Radler zum Ärgernis zu werden, weil sie sich einen einzigen Weg mit den Fußgängern teilen müssen, wenn sie nicht die stark befahrene Dorfstraße benutzen wollen. Hier muß sich die Gemeinde wohl um Entschärfung bemühen. Nicht unerwähnt lassen möchte, daß sich der Trubel auf der Dorfstraße am Abend verflüchtigt und anhält bis in die späten Vormittagsstunden, es sei denn es ist Jazz-Festival (jedes Jahr letztes Wochenende im Juni) oder Zeesbootregatta (jedes Jahr Ende September).
Ob das im Bau befindliche, mehrstöckige und umstrittene Luxushotel „Kurhaus moderne” neben dem reetgedeckten und stilvollen Romantik-Hotel „ Namenlos” eine zusätzliche Werbung für das Dorf sein wird, wird die Zukunft zeigen. Die Gemeindevertreter sollen die „Kröte” ja nur geschluckt haben, um endlich die Kurhaus-Ruine aus der DDR-Zeit los zu werden. Wir hoffen jedenfalls, daß das Dorf keinen Schaden nehmen wird.
Nun habe ich meinen Egoismus wie schon so oft überwunden und wieder Werbung für Ahrenshoop gemacht. Der Lokalpatriotismus überwog. Als gebürtiger Rostocker liebe ich diesen Teil meiner Heimat besonders, zumal ich in meiner Kindheit und Jugend hier oft die Sommerferien verbracht habe. Deshalb kommen wir, meine Frau und ich, jedes Jahr gern wieder. Ich habe das große Glück, daß sich auch meine Frau in Ahrenshoop besonders wohl und wie zu Hause fühlt. Und die kurze Anreise von Schleswig-Holstein über die A 20 dauert einschließlich Pinkelpause nicht einmal drei Stunden.
Einiges aus dem Reisetagebuch von Herrn Freitag.